Nochmal von vorn: Du hast geschrieben, beide Kanäle klingen verzerrt. Verzerrungen können nur im Signalweg entstehen. Bei Wiedergabe führt dieser vom Tonkopf über einen Vorverstärker und den Leistungsverstärker (Endstufen) bis zum Lautsprecher. Bei einem Stereogerät ist der gesamte Signalweg zweikanalig, also angefangen beim Tonkopf, der zwei getrennte Spulen hat, über zwei Vorverstärkerzweige, zwei Endstufen zu zwei Lautsprechern.
Nach Deiner Theorie dürfte es einen Fehler, der beide Kanäle betrifft, also gar nicht geben. Aber der Fehler ist nun einmal da.
Eine Antwort wie "Bei diesem Gerätetyp ist genau das Bauteil XY für diesen Fehler zuständig" zu erhalten, wäre bei einem Gerät, das heute nicht mehr in großen Stückzahlen existiert und dementsprechend selten in die Hände eines Reparaturtechnikers kommt, und bei einer solchen Fehlererscheinung ein großer Glückstreffer.
Also muss man sich an den Fehler herantasten.
Einen Fehler im Tonkopf, der nach einiger Betriebszeit zu Verzerrungen bei der Wiedergabe führt, habe ich noch nie erlebt.
Fehler in Lautsprechern, die nach einiger Betriebszeit zu Verzerrungen führen, gibt es gelegentlich. Dass dies bei einem Stereogerät gleichzeitig beide Kanäle betrifft, halte ich aber für äußerst unwahrscheinlich. Du könntest probeweise einen oder beide Lautsprecher abtrennen und externe Lautsprecher anschließen, um dann sicher festzustellen, dass es immer noch verzerrt klingt.
Somit bleibt nur der Verstärker übrig. Die Röhren hast Du schon gewechselt, das ist auch das erste, was ich tun würde, weil es recht schnell geht (vorausgesetzt, passende Ersatzröhren sind vorhanden).
Das Netzteil liefert die Anodenspannung für beide Kanäle. Wenn diese stark absinkt, führt das zu nachlassender Lautstärke und zu Verzerrungen. Hast Du die Anodenspannung (ca. 250 V), die an dem großen Elko im Alubecher anliegt, einmal nachgemessen? Ein Absinken dieser Spannung wird meist durch übermäßige Belastung, durch einen defekten Siebelko oder (seltener) einen defekten Gleichrichter verursacht.
Das nächste, was beide Kanäle betrifft, sind noch einmal zusätzlich gesiebte Betriebsspannungen für Vorverstärkerstufen. Bei Stereogeräten wird eine solche Spannung oft für beide Kanäle verwendet. Sinkt sie stark ab, führt das ebenfalls zu nachlassender Lautstärke und zu Verzerrungen. Das Siebglied besteht aus einem Widerstand in Reihe und einem Kondensator gegen Masse. Wie Bernhard schon bemerkt hat, neigen solche Kondensatoren in alten Geräten dazu, Leckstrom zu ziehen.
Ob eine Betriebsspannung absinkt, kannst Du durch Spannungsmessungen herausfinden, am sinnvollsten an den Anschlüssen der Röhren. An einigen Anschlüssen wirst Du Spannungen messen können, an anderen nicht. Wichtig ist in Deinem Fall, dass sich die Spannungen bei Eintreten des Fehlers nicht stark verändern. Du kannst mir auch die gemessenen Spannungen und die Typen der Röhren mitteilen, daran kann ich einiges erkennen.
Noch ein Fehler, der beide Kanäle betreffen kann, ist der Katodenkondensator in der Endstufe. Bei Stereo-Endstufen gibt es oft einen gemeinsamen für beide Kanäle. Suche mal im Bereich der Endstufenröhre(n) nach einem oder zwei Elkos mit einer Kapazität von ungefähr 100 µF und niedriger Nennspannung, z.B. 15 V. Bei den meisten Röhrenendstufen liegen an diesem im Normalbetrieb etwa 7 Volt an. Verändert sich diese Spannung, wenn der Fehler auftritt?
Habe ich Dich jetzt überzeugt, dass Du im Bereich des Verstärkers suchen musst? Wenn nein, kann ich Dir leider nicht mehr helfen.
Lutz